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Geschrieben von Muad'Dib am 19.01.2020 um 10:39:

Achtung Missing Link: Lithium-Ionen-Batterien – Ein Fundament der digitalen Ära

Lithium-Ionen-Batterien sind eine wissenschaftliche Meisterleistung und die Messlatte für zukünftige Batterietechnik. So schnell werden sie nicht abgelöst.





Diese Artikel wurde zuerst abgedruckt im Physik Journal 12, 2019.


Die Entwicklung leistungsfähiger elektrochemischer Energiespeicher – sprich Batterien – ist ein entscheidender Baustein für das Entstehen einer vernetzten, mobilen und nachhaltigen Gesellschaft. Der Chemie-Nobelpreis 2019 für Akira Yoshino, M. Stanley Whittingham und John B. Goodenough, die wesentlich zur Realisierung von Lithium-Ionen-Batterien beigetragen haben, würdigt die hohe Bedeutung dieser Technik.

Eine Grundlage der Digitalisierung

Die bahnbrechenden Arbeiten der Chemie-Nobelpreisträger und vieler weiterer Forscher über die vergangenen Jahrzehnte haben die Grundlagen für Batterien (Gemäß der internationalen Begrifflichkeit wird hier von "Batterien" gesprochen, auch wenn der Begriff "Akku" als wiederaufladbare Batterie lange üblich war. Zudem unterscheiden wir hier nicht zwischen einer Batterie und einer Batteriezelle.) gelegt, ohne die Smartphones, Tablets oder batterie-elektrische Fahrzeuge in ihrer heutigen Form nicht denkbar wären. Die Entwickler der Lithium-Ionen-Batterie haben damit unsere Gesellschaft nachhaltig verändert.

Leistungsfähige Batterien haben sich als ein strategisch wichtiger Baustein für die globale und nationale wirtschaftliche Entwicklung herausgestellt. Noch vor etwa zehn Jahren trieb hauptsächlich die Verbreitung tragbarer Elektronik und Kommunikation die Weiterentwicklung an. Diese wurde daher mit Nachdruck in Asien verfolgt, während das Thema in Europa stark vernachlässigt oder sogar belächelt wurde. Inzwischen besteht ein genereller gesellschaftlicher Konsens, welcher der Batterie eine zentrale Rolle in der Dekarbonisierung der Energieversorgung sowie in der lokal emissionsfreien Mobilität zuweist.

Zudem sind Batterien dringend nötig, um zeitliche Inkompatibilitäten in der Sektorenkopplung zu puffern. Die zeitlich flexible Ladung und Entladung von Fahrzeugbatterien gemäß der Verfügbarkeit regenerativ erzeugter Energie ist ein Beispiel für die Kopplung der Sektoren "Energie" und "Verkehr". Dabei sind die Fahrzeuge selbst integraler Bestandteil einer dezentralen und schwankenden Energieerzeugung.

Die Autoren

Egbert Figgemeier leitet die Arbeitsgruppe für Alterung und Lebensdauerprognosen von Batterien am FZ Jülich und ist Professor an der RWTH Aachen. Er hat vorher zehn Jahre in der chemischen Industrie Materialien für Batterien, Brennstoff zellen und Solarzellen entwickelt.

Moritz Teuber hat Materialwissenschaften studiert und über die Alterung von Doppelschichtkondensatoren promoviert. Er arbeitet an der RWTH Aachen als Gruppenleiter unter Egbert Figgemeier und Dirk Uwe Sauer.

Der dringende Bedarf einer Technik (Technology-Pull) ist stets begleitet durch entsprechende technische Durchbrüche (Technology-Push). Ein Beispiel ist die Lithium-Ionen-Technik, bei der ein unerwartet starker Preisverfall aufgetreten ist: Innerhalb von weniger als zehn Jahren hat sich der Preis für Lithium-Ionen-Batterien von über 1000 €/kWh auf deutlich weniger als 150 €/kWh verringert]. Die plötzliche Verfügbarkeit von Batterien mit hoher Leistungs- und Energiedichte hat die erfolgreiche Einführung mobiler elektrischer Anwendungen (Autos, Nutzfahrzeuge, kabellose Werkzeuge, Pedelecs usw.) in den vergangenen Jahren stark befeuert. Dadurch ist der Batteriemarkt förmlich explodiert und wird über viele weitere Jahre zweistellige Wachstumsraten aufweisen.

Motiviert durch den Bedarf an noch höherwertigen Batterien bei geringeren Kosten ist eine lebhafte Forschungs- und Entwicklungslandschaft entstanden, die durch die massive öffentliche Forschungsförderung angetrieben wird. In der Folge ist die Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen in den vergangenen 10 bis 15 Jahren nahezu exponentiell gewachsen.

Sehr häufig entscheiden die Kosten über eine Batterietechnik. Aus diesem Grund sind Blei-Säure-Batterien immer noch stark in ihren angestammten Märkten (z. B. die unterbrechungsfreie Stromversorgung oder die Starterbatterie in Autos) vertreten, obwohl Lithium-Ionen-Zellen ihnen technisch überlegen sind.

Technische Spezifikationen

Die aktuelle Technologie (rot) muss viele Anforderungen erfüllen, die idealerweise alle gleichzeitig optimiert werden (blau). In der Realität beschränkt sich die Weiterentwicklung meist auf einzelne Aspekte einer Batterie (gestrichelt).


Ob sich eine Batterie eignet, hängt von ihrer Zielanwendung ab. In der Regel gilt es, verschiedene Eigenschaften wie Sicherheit, Kosten, Leistung, Energie, Lebensdauer oder Zuverlässigkeit abhängig von den Anforderungen parallel zu betrachten. Bei einer Fahrzeugbatterie sind beispielsweise die typischen Anforderungen in puncto Kosten noch recht weit von der realistischen Entwicklung entfernt. Eine solche Multiparameteroptimierung ist mitunter sehr komplex und wird in der öffentlichen Diskussion sehr unpräzise geführt. In der Betrachtung innovativer Batterietechnik ist es häufig üblich, nur auf eine einzelne verbesserte Eigenschaft zu verweisen.

Bei den zentralen Leistungsparametern eingängiger Speichertechnik ist es wichtig, Energiedichte und spezifische Energie zu unterscheiden: Denn neue Materialien mit hoher spezifischer Energie (Wh/kg), aber geringen Dichten (kg/l) lassen sich mitunter nicht in Batterien mit hohen Energiedichten (Wh/l) überführen. Zum Beispiel hat Graphit als typisches Anodenmaterial eine Dichte deutlich größer als 2 kg/l, Silizium-Nanopulver dagegen von wesentlich kleiner als 1 kg/l. Daher relativiert sich der Vorteil der hohen spezifischen Kapazität von Nanopulver.

Die verschiedenen kommerziellen Speichertechnologien besitzen unterschiedliche Parameter, die hier angegeben sind für Batteriezellen. Bei einzelnen Parametern handelt es sich um mittlere Werte.

Der Zusammenhang schränkt die Brauchbarkeit vieler Nanopulver in Volumen-beschränkten Anwendungen stark ein, also in tragbaren elektronischen Geräten und häufig auch in Fahrzeugen. Die Vermischung dieser Begrifflichkeiten führt immer wieder zu falschen Erwartungen und zu einer erschwerten technischen Beurteilung von wissenschaftlichen Ergebnissen innovativer Materialien.

Neben Energie und Energiedichte ist die Leistung bezogen auf Volumen oder Gewicht eine zentrale Eigenschaft einer Batterie. Auch hier gilt es, zwischen Volumen und Masse zu differenzieren. Gleichzeitig hängt die Leistung bei allen Batterietypen vom Ladezustand ab und kann daher stark variieren. Zum Beispiel zeichnen sich Blei-Säure-Batterien durch die kurzfristige Verfügbarkeit hoher Ströme beim Startvorgang eines Verbrennungsmotors aus, während Lithium-Ionen-Batterien über weite Ladezustände dauerhaft hohe Leistungen abrufen können.

Eine andere weniger beachtete Charakteristik von Batterien ist ihre Ladungs- und Energieeffizienz. Erstere ist das Verhältnis der gespeicherten elektrischen Ladungen zu den bei der Entladung verfügbaren Ladungen. Im Idealfall ist dieser Wert gleich 1, während kleinere Werte auf chemische Nebenreaktionen der Ladungsträger hinweisen. Die Energieeffizienz beschreibt die Verluste bei einem Lade-Entlade-Zyklus und entscheidet über die Energiebilanz in der Anwendung. Zum Beispiel kann der schlechte Wirkungsgrad von Blei-Säure-Batterien dazu führen, dass die Anwendung als Speicher kombiniert mit einer Photovoltaikanlage nicht mehr wirtschaftlich ist.

Auch die Sicherheit, Betriebstemperatur, der Wartungsbedarf oder die Lebensdauer spielen bei der Wahl eines geeigneten Energiespeichers für die Anwendung eine wichtige Rolle. Bei der Lebensdauer wird zwischen kalendarischer und zyklischer Alterung unterschieden, wobei erstere die Degradation ohne das Beaufschlagen von Strom beschreibt und zweitere die Abhängigkeit von der Batterienutzung.

Lithium-Ionen-Batterien

Chemische Elemente lassen sich beliebig zu elektrochemischen Energiespeichern kombinieren. Dabei bestimmen die elektrochemische Spannungsreihe und die Atommasse Spannung und spezifische Kapazität und somit die maximal speicherbare Energie. Elemente wie Lithium oder Fluor sind aufgrund ihres geringen Gewichts und der gleichzeitig niedrigen beziehungsweise hohen elektrochemischen Potentiale sehr interessant. Nachteilig bei ihrer Nutzung ist ihre hohe Reaktivität im elementaren Zustand, weshalb selten die Reinform (z. B.metallisches Lithium) zum Einsatz kommt, sondern die Speicherung in einer Matrix (Interkalation) oder in anderen chemischen Formen (Konversion) bevorzugt ist. Dies reduziert zwar die Energiedichte, steigert aber die Sicherheit und Langlebigkeit beträchtlich. In bahnbrechender Weise ist das bei der Lithium-Ionen-Batterie gelungen.

Materialien für Lithium-Ionen-Batterien

Für die einzelnen Elemente der Lithium-Ionen-Batterie können verschiedene Materialien zum Einsatz kommen.
Die Lithiumionen (grün) lagern sich in graphitischen (a) bzw. oxidischen Strukturen (b) ein. Dazwischen befindet sich der Separator in der Lithium-Ionen-Batterie (c). Der Elektrolyt tränkt beide Elektroden und den Separator.

In ersten Arbeiten zeigte Stanley Whittingham in den 1970er-Jahren am Beispiel von TiS2, dass sich Lithium reversibel und mit hoher Effizienz einlagern lässt. Sie waren richtungsweisend für die weitere Entwicklung. Whittingham prägte auch die Abgrenzung der Begrifflichkeit von Interkalations- und Konversionsmaterialien. Analog dazu identifizierte John Goodenough mit TiS2 ein Material, das Lithiumionen bei sehr hohen Potentialen in seine Struktur reversibel einbauen kann und heute in Milliarden von Batteriezellen verbaut ist. Die Entwicklungen von Whittingham und Goodenough ließen die Aktivitäten zur Entwicklung von Kathodenmaterialien förmlich explodieren.

Zu der Zeit gingen die Forscher allerdings noch davon aus, dass Lithiummetall die ideale Anode wäre und sich auch für wiederaufladbare Batterien stabilisieren ließe. Nach einem spektakulär gescheiterten Kommerzialisierungsversuch der Firma MoliEnergy wurde die Entwicklung einer Lithium-Metall-Batterie aber weitgehend eingestellt. Damit war die intensive Suche nach einem alternativen Anodenmaterial eröffnet. Sie führte zu Graphit als Material der Wahl. Allerdings hat es einige Jahre gedauert, um geeignete Elektrolytmischungen zu finden. Die Herausforderung dabei war, dass organische Lösungsmittel bei den sehr niedrigen elektrochemischen Potentialen nicht stabil sind. Die Entdeckung, dass bestimmte organische Elektrolyte eine Passivierungsschicht bilden, die den weiteren Abbau des Elektrolyten stoppt und gleichzeitig eine genügend hohe Ionenleitfähigkeit besitzt, brachte den Durchbruch.

Letztlich war es eine Arbeitsgruppe um den Japaner Akira Yoshino bei der Firma Asahi Kasei, welche die verschiedenen gefundenen Komponenten zu einer modernen Lithium-Ionen-Batterie zusammenfügte. Lithium-Ionen-Zellen zeichnen sich durch die sehr hohe Spannung aus, die von der niedrigen Potentiallage von Lithium in Graphit herrührt. Das ist einerseits ein großer Vorteil, da die Potentialdifferenz zur Gegenelektrode – die Spannung – so maximiert wird. Allerdings bedeutet dies gleichzeitig, dass durch unerwartete Überspannungen schnell ein Wert von Null und niedriger erreicht wird: Dabei bildet sich thermodynamisch bevorzugt metallisches Lithium anstelle der Interkalation. Dies kann die Energiedichte verringern und birgt die Gefahr von Kurzschlüssen.

Dieses Problem kann zum Beispiel durch Kombination von hohen Ladeströmen und niedrigen Temperaturen auftreten, weshalb die Ladeströme bei Elektrofahrzeugen im Winter begrenzt werden. Einzelne Batteriezellen lassen sich zusammenschalten, um größere Energieinhalte, Spannungen und Ströme zu realisieren. Dabei ist wichtig, dass jede einzelne Zelle möglichst identische elektrische Eigenschaften aufweist, um die Belastung gleichmäßig zu verteilen. Hierin besteht eine der großen Herausforderungen der Batterieproduktion.

Eine weitere wichtige Eigenschaft von Batterien ist ihre Ruhespannung abhängig von der Lithiumaufteilung auf die Elektroden beziehungsweise vom Ladezustand. Dieser Zusammenhang zwischen Klemmspannung, der Anzahl der Lithiumionen auf der jeweiligen Elektrode und dem Ladezustand ist für die Diagnostik wichtig. Entscheidend ist vor allem das Kathodenmaterial an der positiven Elektrode, da dieses häufig variiert. Auf der negativen Elektrode werden fast immer Graphit mit Zusätzen oder Titanate eingesetzt. Für das Kathodenmaterial Lithium-Eisenphosphat (LiFePO4) ist es diagnostisch herausfordernd, die Spannung eindeutig einem Ladezustand zuzuordnen, da der Potentialverlauf hier sehr flach ohne besondere Merkmale ist. Weit verbreitete Oxide wie Nickel-, Mangan- oder Kobaltoxid zeigen hingegen eine ausgeprägtere Steigung, sodass Spannung und Ladezustand oft eindeutig zusammenhängen.

Da sich der Zusammenhang mit der Alterung teilweise stark verändert, ist es schwierig, den Ladezustand allein anhand der Batteriespannung über die gesamte Lebensdauer einzuschätzen. Ein Beispiel für diese Problematik ist der Handyakku. Oft verzichten Hersteller auf komplexe Diagnostik, was mit der Zeit zu einer zunehmenden Fehleinschätzung des Ladezustands führt: So schaltet sich ein mehrere Jahre altes Mobiltelefon bereits bei vermeintlich 30 Prozent Ladezustand ab. Das ist für Elektrofahrzeuge und die Frage nach Restreichweite nicht akzeptabel und erfordert daher entweder eine dedizierte Implementierung vieler Messdaten oder die Nachführung des Batteriezustands mit Diagnostikalgorithmen und Simulationen.

Schwerpunkte der Batterieforschung

Da sich die Entwicklung der Batterien immer an den Anforderungen der Anwendung ausrichtet, kommen die führenden Unternehmen aus der Elektronik-Industrie, wo die Batteriekompetenz eine erfolgreiche Produktentwicklung bedingt. Die akademische Forschung zielt neben der Entwicklung neuer Materialien und Systeme auch darauf ab, Degradationsmechanismen aufzuklären und Batterien theoretisch zu modellieren. Dies dient dazu, die Eigenschaften der Batterien über die Lebensdauer exakt zu beschreiben.

Grundsätzlich wird an allen Komponenten der Lithium-Ionen-Batterie intensiv geforscht mit folgenden Schwerpunkten: Entwicklung von Lösemittel-freien Elektrolyten, Ersatz von Kobalt in der Kathode und Steigerung der Kapazität der Anode durch hochkapazitive intermetallische Materialien. Zudem wird mit hohem Einsatz an Alternativen zum Lithium durch leichter verfügbare Elemente geforscht. Diese Techniken stehen aber noch am Anfang, sodass noch unklar ist, ob sie kommerziell wettbewerbsfähig sein können.

Festkörperelektrolyte

Die Entwicklung von festen Elektrolyten für Lithium-basierte Batterien hat in den letzten Jahren eine sehr hohe Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion und in der Wissenschaft erhalten. Festkörperelektrolyte bieten mehr Sicherheit und die Möglichkeit, bestimmte Elektrodenanordnungen mit hoher Energiedichte einfacher zu konstruieren. Das Argument der Sicherheit wird maßgeblich "befeuert" durch Berichte zu explodierenden Smartphones, brennenden Elektrofahrzeugen oder Vorfällen in anderen Anwendungen. Ein Beispiel ist der Batteriebrand im Boeing Dreamliner vor einigen Jahren.

Bei der Beurteilung ist aber zu berücksichtigen, dass mehrere Milliarden Lithium-Ionen-Zellen im Markt sind und die Anzahl der Vorfälle im Verhältnis dazu verschwindend gering ist. Als Festkörperelektrolyt kommen organische Polymere, die Lithiumionen leiten, oder Keramiken infrage. Polymere lassen sich vergleichsweise einfach herstellen und verarbeiten. Allerdings ist ihre Ionenleitfähigkeit so begrenzt, dass sie den Anforderungen an die Leistungsdichte nur bei erhöhten Temperaturen genügt. Während für tragbare Elektronikgeräte die Ionenleitfähigkeit bisweilen ausreichen würde, sind für automobile Anwendungen höhere Temperaturen nötig, die einen breiten Einsatz momentan verhindern. Batterien dauerhaft auf über 50 °C zu beheizen, ist konstruktionstechnisch schwierig und der Energieeffizienz des Fahrzeugs abträglich.
Die Leitfähigkeit klassischer Flüssigelektrolyte (blau), Polymerelektrolyte (orange) und keramischer Festelektrolyte (rot) hängt von der Temperatur ab.

Festelektrolyte auf keramischer Basis werden sehr intensiv erforscht und konnten in den letzten Jahren einige wissenschaftliche Durchbrüche verzeichnen. Dabei stand insbesondere die Ionenleitfähigkeit im Vordergrund, die sich durch neue Strukturen um einige Zehnerpotenzen steigern ließ. Für bestimmte Sulfide und Thiophosphate (Li7P3S11 und Li10GeP2S12) bewegt sich die ionische Leitfähigkeit in der gleichen Größenordnung wie bei Flüssigelektrolyten.

Als Achillesferse hat sich allerdings die thermodynamische Instabilität der Keramiken gegenüber Lithiummetall erwiesen. Denn Keramiken sind nicht per se thermodynamisch stabil, sodass Zwischen- schichten notwendig scheinen, um sie zu stabilisieren. Dies ist eine der Hürden, welche die kommerzielle Nutzung von Batterien auf Keramikbasis in den nächsten Jahren verhindern dürfte. Weitere Schwachstellen von Keramiken sind die mechanische Stabilität der Grenzschichten zum Metall und die anspruchsvolle Verarbeitung.

Kobalt-freie Kathodenmaterialien

Die Entwicklung von LiCoO2 als Kathodenmaterial durch John Goodenough gilt als einer der wesentlichen Durchbrüche der Lithium-Ionen-Batterie. Denn LiCoO2 ist in der Lage, bei hohen Potentialen beim Entladen der Zelle Lithiumionen aufzunehmen und wieder abzugeben. Zudem ist dieser Interkalationseffekt fast hundertprozentig reversibel. Dies bildet die Basis für die Langlebigkeit von Lithium-Ionen-Batterien. LiCoO2 wurde in der ersten kommerziellen Zelle von Sony eingesetzt und ist nach wie vor die Hauptkomponente in Batterien für tragbare Elektronik.

Andere Anwendungen wie im Automobilsektor streben Materialien mit einem niedrigeren Kobaltgehalt an. Denn dort gilt es, das Sicherheitsprofil bei erhöhten Temperaturen sowie die Kosten zu optimieren. Andere Elemente könnten die Kosten senken und die Ressourcennachhaltigkeit verbessern, denn die Materialkosten machen fast 70 Prozent der Gesamtkosten aus – ein großer Teil geht auf Kobalt zurück.

Dabei gab es deutliche Erfolge: Metallmischoxide, die aus gleichen Teilen Ni, Mn und Co (NCM111) bestanden und nur noch 33 Prozent des Kobaltgehalts früherer Lithium-Ionen-Batterien enthielten, dominierten schon in der ersten Generation Elektrofahrzeuge.Mittlerweile werden Materialien der Zusammensetzung 622 (60 % Ni, 20 % Co, 20 % Mn) und 532 eingesetzt, was die Menge an Kobalt deutlich reduziert und einen wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit bedeutet. Zurzeit befindet sich auch das Material NCM811 mit nur noch 10 % Kobaltgehalt in einem späten Entwicklungsstadium. Erste Anwendungen mit hohen Ansprüchen an die Energiedichte sind im Einsatz, und die Anwendung in batterieelektrischen Fahrzeugen der nächsten Generation ist höchst wahrscheinlich.

NMC-Materialien mit abnehmendem Co-Gehalt sind generell leichter thermisch zersetzbar und weniger langzeitstabil. Vollständig kobaltfreie Kathoden sind ebenfalls in der Entwicklung und teilweise auch im kommerziellen Einsatz, beispielsweise Lithium-Eisen-Phosphat (LiFePO4), das aber aufgrund der geringeren Energiedichte nicht in Elektrofahrzeugen zum großindustriellen Einsatz kommt.

Hoch-kapazitative Anoden

Neben der Entdeckung von LiCoO2 war der zweite wesentliche Durchbruch der Lithium-Ionen-Technik die Entdeckung des Graphits als Material, um Lithiumionen bei niedrigen Potentialen einzulagern. Neben der genannten Problematik der Lithiummetallabscheidung bei diesen niedrigen Potentialen bieten organische Elektrolyte nicht die notwendige thermodynamische Stabilität. Allerdings bilden die Zersetzungsprodukte an der Graphitoberfläche eine Ionen-leitfähige Passivierungsschicht, die eine beachtliche Langzeitstabilität von bis zu mehreren tausend Lade- und Entladezyklen gewährleistet. Verglichen mit anderen Techniken, die weniger als hundert Zyklen schaffen, war dies ein wichtiger Durchbruch.

Da die Kapazität zur Lithium-Ionen-Einlagerung bei Graphit auf maximal 350 mAh/g begrenzt ist, wurden zahlreiche andere Elemente und Materialien untersucht, die eine wesentlich höhere Kapazität versprechen. Viele Metalle wie Al, Sn, Bi oder Co bilden Mischmetalle mit Lithium und könnten somit Graphit ersetzen. Leider sind diese Mischmetallbildungen sehr häufig nicht reversibel oder zumindest kinetisch gehemmt, was die praktische Anwendung stark einschränkt.

Daher hat sich in den letzten Jahren die Forschung stark auf Silizium fokussiert. Dieses Element verspricht sowohl hohe Kapazitäten als auch akzeptable Langzeitstabilitäten. In einigen kommerziellen Zellen wird Silizium mittlerweile zur Kapazitätssteigerung im Verbund mit Graphit eingesetzt. Das wesentliche Problem ist dabei die große Volumenänderung von bis zu 200 % bei der Einlagerung von Li, was viele Degradationsmechanismen nach sich zieht.

Zusammenfassung

Getrieben von der Notwendigkeit der Elektrifizierung des Individualverkehrs und der Umstellung auf regenerative Energieformen ist das öffentliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Interesse an Batterien enorm gestiegen. Trotz bestehender Herausforderungen haben Lithium-Ionen-Zellen unsere Welt bereits signifikant verändert. Die Nobelpreisträger der Chemie im vergangenen Jahr haben dazu bahnbrechende Arbeiten geleistet. Die Batterieentwicklung erfordert sowohl die Entdeckung neuartiger Materialien, innovativer Prinzipien als auch eine innovative Systemintegration, wie sie Akira Yoshino geleistet hat. Damit steht die Lithium-Ionen-Batterie exemplarisch für die Übertragung akademischer Ergebnisse in ein anwendungsreifes Produkt.

Die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie als wesentlicher Baustein der Elektrifizierung des Automobils beinhaltet eine gewisse Ironie, da Stanley Whittingham grundlegende Arbeiten in den 1970er-Jahren bei der Ölfirma Exxon durchführte. Exxon hatte im Rahmen der Ölkrise – wie viele andere Firmen – die Forschung und Entwicklung im Bereich regenerativer Energien verstärkt. Dies legte während der Ölkrise die Grundlagen für heute wichtige Technik – auch für die Photovoltaik.

Trotz der immensen wissenschaftlichen Anstrengungen ist die Entwicklung leistungsstärkerer Batterien eher ein evolutionärer als revolutionärer Prozess. Momentan liegen die Schwerpunkte für Lithium-Ionen-Batterien darauf, den Co-Gehalt zu verringern und die Energiedichte sukzessive zu steigern – unter Beibehaltung von Lebensdauer, Kosten und Sicherheit. Die Entwicklung neuartiger Batterietypen unter Vermeidung von flüssigen – volatilen – Elektrolyten befindet sich hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit und Reife noch in einer frühen Phase.

Egbert Figgemeier und Moritz Teuber: Bedeutsame Batterien. Physik-Journal. 2019. 12/2019. 28-33. Copyright Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Reproduced with permission. (mho)


Quelle: https://heise.de/-4640496



Geschrieben von playboy am 19.01.2020 um 11:31:

 

warum steht da nix über die riesige Wasserverschmutzung beim Abbau oder über die Entsorgung von E-Autos als Sondermüll



Geschrieben von Muad'Dib am 19.01.2020 um 15:35:

 

Ichnehme an weil es generell um Lithium-Ionen Batterien geht, nicht um das neumodische Zeugs was Du genannt hast....


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