Mobilfunkausrüster schlimm wie Druckerpatronenhersteller

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Mobilfunkausrüster schlimm wie Druckerpatronenhersteller

Was Nutzer der Telekom von Open RAN haben, fragen sich viele Experten. Wir haben die Werbeversprechen geprüft.


Ein Bericht

von

Achim Sawall

veröffentlicht am 21. März 2025, 16:47 Uhr



In einem Youtube-Video über eine Antenne auf Sylt nennt die Deutsche Telekom Open RAN "die modernste Mobilfunktechnologie" und kritisiert die Ausrüster. "Bisher ist es so, dass ein Netzwerkausrüster die komplette Technik für eine Antenne liefert. Das klingt praktisch, ist aber ein bisschen so wie bei meinem Drucker zu Hause, da brauche ich auch immer die Patronen von einem bestimmten Hersteller", erklärt die Moderatorin.

Tatsächlich kann man derzeit an Antennen nicht Radio und Baseband verschiedener Hersteller mischen. Doch ob in der Zukunft tatsächlich Komponenten beliebig gegen diejenigen anderer Hersteller ausgetauscht werden können, muss sich erst noch erweisen. Dass es günstiger ist, wie der Einsatz von Druckerpatronen von Drittherstellern, ist ebenfalls nicht belegt.

Der informative Youtube-Kanal Telekom Netze hat 61.000 Abonnenten. Viele freuen sich in den Kommentaren über die vermeintlich moderne Open-RAN-Technik für die Insel. Selbst erfahrene Experten in Fachmedien nennen Open RAN das "Netz der Zukunft". Ein Kommentator merkt jedoch an: "Bringt dem Endnutzer gar nichts, die Telekom spart sich nur ein paar Mäuse."


Telekom klagt gegen Open RAN als modernstes Netz

Noch vor kurzer Zeit sah die Telekom Open RAN selbst kritisch. Das Unternehmen verklagte im März 2023 erfolgreich den Konkurrenten 1&1 vor dem Landgericht Koblenz, weil die Formulierung "modernstes Netz Europas" auch ein Leistungsversprechen gegenüber den Kunden beinhalte. Hier hob man jedoch eher auf die geringe Anzahl eigener Antennen ab.

Der Ausbau auf Sylt ist auch Teil des Comebacks von Nokia. Der finnische Ausrüster wird bis 2027 für die Telekom rund 3.000 Antennenstandorte im Open-RAN-Standard errichten. An dem Vertrag ist auch Fujitsu beteiligt. "O-RAN ersetzt Sites, in dem Fall der Firma Huawei", sagte Claudia Nemat, Vorständin für Technologie und Innovation bei der Telekom.


Tintenpatronen und Mobilfunk

Um im Bild zu bleiben: Es ist günstiger, Tinte von Drittherstellern zum Drucken einzusetzen, moderner oder besser ist es nicht. Antworten darauf, was Open RAN technisch leistet, das bisherige Technologien nicht können, bleibt die Telekom auf Nachfrage von Golem.de denn auch schuldig.

"Open RAN ist wichtig für die Telekom, um eine größere Anbietervielfalt zu fördern und kundenorientierte Innovationen im Funkzugangsnetz zu beschleunigen. Das Telekom-Netz der Zukunft soll noch flexibler, sicherer, energieeffizienter und kundenzentrierter sein", sagte eine Sprecherin Golem.de.

Mit Open RAN ließen sich die Komponenten unterschiedlicher Hersteller kombinieren. Open-RAN biete dabei den Vorteil der Resilienz. "Durch die Flexibilität bei der Auswahl der Lieferanten machen wir uns unabhängiger von möglichen Problemen in der Lieferkette", erklärte sie weiter.

Doch in Wirklichkeit streichen führenden Open-RAN Anbieter wie Mavenir und NEC ihr Angebot zusammen, wie das Fachmagazin Lightreading berichtet. Die Nachfrage sei nicht ausreichend.

Zugleich geht die Entwicklung im Mobilfunk weiter, Open RAN liegt da noch weit zurück. Technische Sprünge wie mit 5G Advanced sind hier nicht absehbar. Magenta Telekom, die österreichische Tochter der Telekom, erklärte im Juni 2024, man habe am Hauptsitz im Wiener T-Center im Mobilfunknetz eine Downloadrate von 10 GBit/s erreicht.

Als Trägertechnologie habe 5G Advanced gedient, erklärte Volker Libovsky, Chief Technology & Information Officer bei Magenta Telekom: "5G Advanced ist die nächste Zwischengeneration auf dem Weg zu 6G, sie nutzt das 26-GHz-Band." Kombiniert wurde dies mit Frequenzen aus dem 3,6-GHz-Band.

China Mobile Shanghai präsentierte mit 5G Advanced Downlinkraten von 5 GBit/s und Uplinks von 500 MBit/s. Die durchschnittliche Datenrate lag bei 2,5 GBit/s. Zukünftig strebt der Betreiber Kapazitäten von 1 GBit/s Uplink und 10 GBit/s Downlink an. Alles ohne Open RAN.


Fazit

Solange Netzbetreiber, die ganz oder teilweise auf Open RAN setzen, nicht belastbare Zahlen und Fakten zu Performance und Kosten vorlegen, verharren die PR-Botschaften, dass Open RAN die Zukunft des Mobilfunk sei, noch irgendwo zwischen frommen Wünschen und Glaubenssätzen. Vielleicht bringen die großen jährlichen Netztests dieses Jahr etwas mehr Aufschluss darüber, wo Open RAN technologisch tatsächlich steht.

quelle: golem.de