Whitebird
"Youtube hat hier ein massives Problem"
Die 9/11-Anschläge hat es nie gegeben? Mit solchen Videos hat Youtube offenbar erstmal kein Problem – anders ist das mit der Kritik daran.
Ein Interview von Lars Lubienetzki
4. März 2025, 9:38 Uhr
Youtube hat vor ein paar Monaten ein kritisches Video von Mats Schönauer per automatischer Überprüfung vorübergehend entmonetarisiert. Der Journalist ist im Netz kein Unbekannter. Bis vor einigen Jahren arbeitete er als Chefredakteur beim Bildblog. Der Watchblog setzt sich bis heute kritisch mit der Berichterstattung der Bild-Zeitung auseinander. Zusammen mit seinem früheren Studienkollegen Moritz Tschermak rief er außerdem einen weiteren Watchblog namens Topf voll Gold ins Leben, der der Regenbogenpresse bis zum Jahr 2019 kritisch auf die Finger schaute.
In jüngster Vergangenheit beschäftigt sich Mats Schönauer auf seinem Youtube-Kanal und über Tiktok mit bewussten Falschinformationen auf den größeren Social-Media-Plattformen, unter anderem auch auf Youtube selbst.
So wurde er vor einiger Zeit auf ein Video von Alexander Raue aufmerksam gemacht. Raue verbreitet auf seinem Youtube-Kanal Vermietertagebuch seit längerem Fake News. In einem inzwischen entfernten Video behauptete Raue zum Beispiel, die Anschläge auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001 seien eine Inszenierung gewesen.
Als Quelle verwies er auf Aussagen von Donald Trump während einer Pressekonferenz Anfang 2024, der zu diesem Zeitpunkt noch Präsidentschaftskandidat der Republikaner war. Auch wenn Trump durchaus Lügen verbreitet: Diese Aussagen über 9/11 hat es nie gegeben. Es handelte sich um eine Fehlinterpretation von Raue.
Mats Schönauer sah sich daraufhin das Vermietertagebuch und seine Inhalte genauer an. Er entschied sich, ein eigenes Video zu veröffentlichen, um auf die Lügen, die Übertreibungen und auch die Hassbotschaften, die über diesen Kanal in großer Reichweite verbreitet werden, aufmerksam zu machen. Gleichzeitig übt er Kritik an Youtube, wie die Plattform mit solchen und ähnlichen Fake-Videos umgeht.
Kritisches Video entmonetarisiert
Kurze Zeit später wurde das kritische Video des Journalisten per automatischer Überprüfung von Youtube entmonetarisiert. Das bedeutet, es erhält keine anteiligen Zahlungen mehr aus den Einnahmen der Werbeclips, die Youtube in Videos einbindet.
Warum dadurch der Eindruck entsteht, dass Youtube gegen plattformkritische Videos vorgehe und Schwurbler und Verschwörungsgläubige ungezügelt gewähren lasse, hat uns Mats Schönauer im Gespräch erzählt.
Macht Youtube zu wenig gegen zweifelhafte Inhalte?
Golem.de: Mats, wie hast du auf die Entmonetarisierung nach der automatischen Überprüfung reagiert?
Schönauer: Ich habe erst gedacht, es handelt sich um einen Fehler und habe daraufhin eine manuelle Überprüfung beantragt. Auch dieser menschliche Prüfer kam zu dem Ergebnis, mein Video sei für "die meisten Werbetreibenden nicht geeignet". Ich hätte sensible Ereignisse unangemessen thematisiert, so dass ich als Creator davon profitieren würde.
Aufgrund dieser Einschätzung habe ich bei der Pressestelle von Google nachgefragt. Es hat mich einfach interessiert, weil der Eindruck entsteht, ein Kanal wie der von Alexander Raue darf Fake News verbreiten, extreme Gewalt- und Mordfantasien befeuern und kommt damit durch. Wer darüber kritisch berichtet, dem wird die Monetarisierung gestrichen.
Golem.de: Was verdient ein Kanal wie der von Alexander Raue?
Schönauer: Nach meiner Recherche verdient er mit seinen Lügengeschichten etwa eine halbe Million Euro pro Jahr.
Golem.de: Wie hat die Pressestelle von Google auf deine Anfrage reagiert?
Schönauer: Die Pressestelle hat recht schnell reagiert und mein Video kurze Zeit später wieder monetarisiert. Zudem sind die schlimmsten Gaskammer- und Erschießungskommando-Kommentare im Kanal von Alexander Raue gelöscht worden. Dennoch bin ich der Meinung, Youtube hat hier ein massives Problem.
Golem.de: Worin genau siehst du ein Problem für Youtube?
Schönauer: Als Journalist hatte ich das Privileg, mit meinem Anliegen über die Pressestelle zu gehen. Andere Creator, die sich kritisch mit solchen Kanälen auseinandersetzen, können das nicht und müssen damit rechnen, entmonetarisiert zu werden. Gleichzeitig dürfen die Ursprungskanäle weiterhin kompletten Unsinn in großem Stil verbreiten.
Golem.de: Meinst du, Youtube tut hier zu wenig, um Kanäle oder einzelne Videos mit höchst zweifelhaften Inhalten von der Plattform zu entfernen?
Youtube setzt für deutschsprachige Inhalte rund 350 Prüfer ein
Schönauer: Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass Alphabet laut EU-Recht bestimmte Statistiken offenlegen muss. Darüber habe ich entdeckt, dass Youtube für den deutschsprachigen Content knapp 350 Prüferinnen und Prüfer einsetzt. Ob das genug ist oder nicht, weiß ich nicht.
Ich würde allerdings dazu tendieren, diese Zahl als zu gering einzuschätzen. Auf Youtube werden pro Minute 500 Stunden Videomaterial hochgeladen. Umgerechnet auf Deutschland entsteht dadurch immer noch eine unfassbare Menge an Content. Die automatisierten technischen Möglichkeiten, um ordentlich prüfen zu können, reichen hierfür offenbar nicht aus.
Daher braucht Youtube die menschlichen Prüferinnen und Prüfer. Und selbst die liegen im Zweifel falsch, wie ich nun mit meinem Video erfahren musste.
weiter im nächsten beitrag
Die 9/11-Anschläge hat es nie gegeben? Mit solchen Videos hat Youtube offenbar erstmal kein Problem – anders ist das mit der Kritik daran.
Ein Interview von Lars Lubienetzki
4. März 2025, 9:38 Uhr
Youtube hat vor ein paar Monaten ein kritisches Video von Mats Schönauer per automatischer Überprüfung vorübergehend entmonetarisiert. Der Journalist ist im Netz kein Unbekannter. Bis vor einigen Jahren arbeitete er als Chefredakteur beim Bildblog. Der Watchblog setzt sich bis heute kritisch mit der Berichterstattung der Bild-Zeitung auseinander. Zusammen mit seinem früheren Studienkollegen Moritz Tschermak rief er außerdem einen weiteren Watchblog namens Topf voll Gold ins Leben, der der Regenbogenpresse bis zum Jahr 2019 kritisch auf die Finger schaute.
In jüngster Vergangenheit beschäftigt sich Mats Schönauer auf seinem Youtube-Kanal und über Tiktok mit bewussten Falschinformationen auf den größeren Social-Media-Plattformen, unter anderem auch auf Youtube selbst.
So wurde er vor einiger Zeit auf ein Video von Alexander Raue aufmerksam gemacht. Raue verbreitet auf seinem Youtube-Kanal Vermietertagebuch seit längerem Fake News. In einem inzwischen entfernten Video behauptete Raue zum Beispiel, die Anschläge auf das World Trade Center in New York im Jahr 2001 seien eine Inszenierung gewesen.
Als Quelle verwies er auf Aussagen von Donald Trump während einer Pressekonferenz Anfang 2024, der zu diesem Zeitpunkt noch Präsidentschaftskandidat der Republikaner war. Auch wenn Trump durchaus Lügen verbreitet: Diese Aussagen über 9/11 hat es nie gegeben. Es handelte sich um eine Fehlinterpretation von Raue.
Mats Schönauer sah sich daraufhin das Vermietertagebuch und seine Inhalte genauer an. Er entschied sich, ein eigenes Video zu veröffentlichen, um auf die Lügen, die Übertreibungen und auch die Hassbotschaften, die über diesen Kanal in großer Reichweite verbreitet werden, aufmerksam zu machen. Gleichzeitig übt er Kritik an Youtube, wie die Plattform mit solchen und ähnlichen Fake-Videos umgeht.
Kritisches Video entmonetarisiert
Kurze Zeit später wurde das kritische Video des Journalisten per automatischer Überprüfung von Youtube entmonetarisiert. Das bedeutet, es erhält keine anteiligen Zahlungen mehr aus den Einnahmen der Werbeclips, die Youtube in Videos einbindet.
Warum dadurch der Eindruck entsteht, dass Youtube gegen plattformkritische Videos vorgehe und Schwurbler und Verschwörungsgläubige ungezügelt gewähren lasse, hat uns Mats Schönauer im Gespräch erzählt.
Macht Youtube zu wenig gegen zweifelhafte Inhalte?
Golem.de: Mats, wie hast du auf die Entmonetarisierung nach der automatischen Überprüfung reagiert?
Schönauer: Ich habe erst gedacht, es handelt sich um einen Fehler und habe daraufhin eine manuelle Überprüfung beantragt. Auch dieser menschliche Prüfer kam zu dem Ergebnis, mein Video sei für "die meisten Werbetreibenden nicht geeignet". Ich hätte sensible Ereignisse unangemessen thematisiert, so dass ich als Creator davon profitieren würde.
Aufgrund dieser Einschätzung habe ich bei der Pressestelle von Google nachgefragt. Es hat mich einfach interessiert, weil der Eindruck entsteht, ein Kanal wie der von Alexander Raue darf Fake News verbreiten, extreme Gewalt- und Mordfantasien befeuern und kommt damit durch. Wer darüber kritisch berichtet, dem wird die Monetarisierung gestrichen.
Golem.de: Was verdient ein Kanal wie der von Alexander Raue?
Schönauer: Nach meiner Recherche verdient er mit seinen Lügengeschichten etwa eine halbe Million Euro pro Jahr.
Golem.de: Wie hat die Pressestelle von Google auf deine Anfrage reagiert?
Schönauer: Die Pressestelle hat recht schnell reagiert und mein Video kurze Zeit später wieder monetarisiert. Zudem sind die schlimmsten Gaskammer- und Erschießungskommando-Kommentare im Kanal von Alexander Raue gelöscht worden. Dennoch bin ich der Meinung, Youtube hat hier ein massives Problem.
Golem.de: Worin genau siehst du ein Problem für Youtube?
Schönauer: Als Journalist hatte ich das Privileg, mit meinem Anliegen über die Pressestelle zu gehen. Andere Creator, die sich kritisch mit solchen Kanälen auseinandersetzen, können das nicht und müssen damit rechnen, entmonetarisiert zu werden. Gleichzeitig dürfen die Ursprungskanäle weiterhin kompletten Unsinn in großem Stil verbreiten.
Golem.de: Meinst du, Youtube tut hier zu wenig, um Kanäle oder einzelne Videos mit höchst zweifelhaften Inhalten von der Plattform zu entfernen?
Youtube setzt für deutschsprachige Inhalte rund 350 Prüfer ein
Schönauer: Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass Alphabet laut EU-Recht bestimmte Statistiken offenlegen muss. Darüber habe ich entdeckt, dass Youtube für den deutschsprachigen Content knapp 350 Prüferinnen und Prüfer einsetzt. Ob das genug ist oder nicht, weiß ich nicht.
Ich würde allerdings dazu tendieren, diese Zahl als zu gering einzuschätzen. Auf Youtube werden pro Minute 500 Stunden Videomaterial hochgeladen. Umgerechnet auf Deutschland entsteht dadurch immer noch eine unfassbare Menge an Content. Die automatisierten technischen Möglichkeiten, um ordentlich prüfen zu können, reichen hierfür offenbar nicht aus.
Daher braucht Youtube die menschlichen Prüferinnen und Prüfer. Und selbst die liegen im Zweifel falsch, wie ich nun mit meinem Video erfahren musste.
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